Wie man Ministerpräsidentin in Hessen wird
Wie eine Partei ihre Wähler schonend auf den Bruch ihrer Wahlversprechen vorbereitet – in drei Schritten:
1) Als nicht dementierte Aussage. Niemals war politische Kommunikation so einfach wie heute. Statt etwas zu sagen, reicht es, nicht zu dementieren, was die Anderen sagen. Das entfacht einen kleinen Sturm in den Medien, an dem sich bereits die voraussichtlichen Reaktionen ablesen lassen. Gegebenenfalls kann man ja alles einfach dementieren … So geschehen am gestrigen Dienstag, als diverse Zeitungen von einem Abendessen am Montagabend berichteten, an welchem Michael Naumann, Kurt Beck, Günter Grass und Andrea Ypsilanti teilnahmen. Von den Berichten schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“: „Unter nicht bestrittener Berufung auf Beck hieß es darin, gegebenenfalls werde sich die SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, Andrea Ypsilanti, mit den Stimmen der Linksfraktion im hessischen Landtag zur Ministerpräsidentin wählen lassen.“
2) Anschließend als halbverlässliches Gerücht: Es sei am Dienstag der Plan durchgedrungen (fährt die „FAZ“ fort), Ypsilanti könne sich ja einfach am 5. April zur Wahl der Ministerpräsidentin stellen. Becks Kalkül sei, dass eine geheime Wahl, bei der man ohnehin nicht feststellen könne, wer mit wessen Stimmen gewählt worden sei, im Prinzip ja keinen Bruch des Wahlversprechens darstelle. Der „Spiegel“ erweist sich als williger Vollstreckungsgehilfe.
3) Im konkreten Fall noch nicht eingetreten, aber die Strategie ist klar: Beck und Ypsilanti werden deren Kandidatur verkünden – und, dass man keinesfalls vorhabe, mit den Linken zu koalieren. Mit den Grünen allein reicht’s bekanntlich nicht, und die FDP will nicht. Wer also soll Ypsilanti wählen? Ganz einfach: Die Linken, die keinen eigenen Kandidaten haben, und sich in der Regierung Einfluss sichern wollen. Bloß darf die SPD das aufgrund ihres Wahlversprechens so nicht einräumen. Also wird sie es scheinheilig mit über-parteilichen Appellen versuchen müssen: „Wer klug ist, wählt Ypsilanti. Völlig unabhängig von seinem Parteibuch.“
Ein ziemlich riskantes Spiel. Und Gewinn ist nicht gleich Gewinn: Denn auf diese Weise schafft die SPD möglicherweise nur eine Minderheitsregierung unter linker Duldung. Das wäre zwar auf dem Papier kein Bruch ihres Wahlversprechens, aber de facto schon. Dafür wäre Ypsilanti Ministerpräsidentin, und das, scheint’s, ist Becks einziges Anliegen.