Wenn Hersteller zu Online-Händlern werden
Düsseldorf – Ob Adidas, Lego oder Haribo: Immer öfter verkaufen Markenhersteller ihre Produkte auch in eigenen Online-Shops. Doch besonders günstig sind die Produkte dort meistens nicht. Denn für viele Händler ist das Online-Geschäft ein gefährlicher Balance-Akt.
Die Hersteller wollen direkten Kontakt zur ihren Endkunden. Aber sie wollen auch die «klassischen» Händler, die bislang noch den größten Teil ihrer Ware verkaufen, nicht verärgern.
Eine Ausnahme ist Adidas. «Unsere Website ist unser wichtigster Store auf der Welt», sagte Konzernchef Ka Rorsted kürzlich in einem Interview. Der Sportartikelherseller verkauft in seinem Online-Shop alles – vom Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bis zur Yogamatte – und nimmt dabei vergleichsweise wenig Rücksicht auf Sportgeschäfte und andere Händler, die in der Vergangenheit die wichtigsten Verkaufskanäle wahren.
Adidas will den Umsatz in den eigenen Online-Stores bis 2020 auf 4 Milliarden Euro steigern – das ist viermal so viel wie noch 2016. Allein 2017 stiegen die Umsätze um 57 Prozent. Um solche Wachstumsraten zu erreichen, zieht Adidas alle Register. Das Unternehmen lockt im Internet mit Schlussverkaufsrabatten und bietet den Kunden die Möglichkeit, die Sportschuhe und Adiletten nach eigenem Gusto zu gestalten.
So aggressiv wie Adidas treiben allerdings die wenigsten Markenartikel-Hersteller ihr Online-Engagement voran. Und das aus gutem Grund: «Jeder Hersteller, der einen eigenen Online-Shop aufmacht, wird von den Händlern argwöhnisch beäugt. Wenn er dann in einen Preiswettbewerb einsteigt, führt das zu massiven Konflikten», beschreibt der Handelsexperte Kai Hudetz vom Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) die Situation. Die Hersteller stecken in einem Dilemma. «Um die Händler nicht zu verärgern, müssen sie ihre Ware im eigenen Online-Shop relativ teuer anbieten. Doch so verkauft man im Internet nichts.»
Das vorsichtige Agieren setzt dem Erfolg der meisten Hersteller-Shops enge Grenzen. Zwar konnten die Hersteller ihre Online-Umsätze dem «Branchenreport Online» des IFH zufolge seit 2011 um gut zwei Drittel auf mehr als 5 Milliarden Euro steigern. Doch wuchsen sie damit schwächer als der Online-Handel insgesamt. In den nächsten Jahren dürfte ihr Marktanteil nach einer Prognose des IFH praktisch stagnieren.
Um trotz eher vorsichtiger Preispolitik für die Kunden attraktiv zu sein, setzen viele Hersteller in ihren Online-Shops auf befristete Aktionen. Oder sie bieten Produkte an, die es woanders nicht gibt, und umwerben die Kunden mit der Möglichkeit, die bestellten Produkte zu individualisieren.
So lockt der Haribo-Shop zwar nicht mit Kampfpreisen. Doch bietet er einige Spezialitäten, die es im normalen Handel nicht gibt: etwa Packungen sortenreiner Gummibärchen – nur in Gelb, nur in Rot oder nur in Grün. Nivea bietet Online-Bestellern die Möglichkeit, die klassischen blauen Cremedosen – gegen Aufpreis – mit eigenen Familienfotos verzieren zu lassen.
Wie aggressiv die Hersteller um Kunden für den eigenen Online-Shop werben, hängt nicht zuletzt von der Branche ab, in der sie unterwegs sind. «Die eigenen Online-Shops sind für die Hersteller besonders in den Branchen wichtig, in denen die stationären Händler zunehmend von Online-Anbietern verdrängt werden – etwa im Spielwarenhandel», betont Hudetz. Hier gehe es darum, den Draht zum Kunden nicht zu verlieren und in Zukunft nicht völlig von den großen Online-Händlern wie Amazon abhängig zu sein.
Wie das geht, zeigt etwa Lego: Der dänische Spielwarenhersteller verspricht in seiner offiziellen «Lego Shop Garantie» den Kunden offensiv das «weltweit größte Lego Sortiment» und lockt sie mit der Aussicht, «vor allen anderen exklusive und seltene Sets» entdecken zu können. Playmobil umwirbt die Kunden in seinem Online-Shop mit Sonderangeboten und einem Ersatzteilservice.
«Der Handel muss sich daran gewöhnen, dass die Hersteller ihre Produkte auch selber im Internet verkaufen», ist der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU überzeugt. Doch hält er das Umsatzpotenzial in den meisten Fällen für begrenzt. «Die meisten Verbraucher werden auch in Zukunft bei Amazon und Co. einkaufen – aus Gewohnheit und weil es bequemer ist, als alle Hersteller einzeln abzuklappern.»
Auch Hudetz ist überzeugt: «Wirklich Sinn macht ein eigener Online-Shop nur für sehr starke Marken. Davon gibt es in Deutschland vielleicht ein paar Dutzend.»
Fotocredits: Jens Büttner
(dpa)