So werden Kunden im Geschäft heimlich gezählt
Leipzig – In der Weihnachtszeit schieben sich Massen von Menschen durch Kaufhäuser. Dass sie dabei vielerorts gezählt werden, ist den wenigsten Geschenkejägern bewusst. Dabei ist es für Malls oder große Kaufhäuser wichtig zu wissen, wie viele der Besucher tatsächlich auch Geld ausgeben.
Mittels neuer Technologien ist es möglich zu erfassen, welche Abteilungen ein Kunde im Kaufhaus wie lange besucht. Sogar Mieten könnten sich künftig an Besuchszahlen orientieren. Die Entwicklung wird von der Verbraucherzentrale allerdings kritisch beobachtet.
Anzahl und Frequenz werden gemessen und aufgezeichnet
Für den stationären Handel werde die Kundenfrequenz gerade durch die Online-Konkurrenz immer wichtiger, heißt es vom Handelsverband Deutschland. «Ohne entsprechende Besucherzahlen im Geschäft ist es sehr schwierig, ausreichend Umsatz zu generieren», teilt Sprecher Stefan Hertel mit. Gerade in der Vorweihnachtszeit zögen viele Menschen ohne konkrete Geschenkidee los und ließen sich in der Innenstadt inspirieren. «Profitieren können davon logischerweise nur die Läden, die auch viele Besucher anziehen», so Hertel.
Frequenzmessung habe auch für den Mietmarkt Potenzial, sagt Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsführung im Kölner Handelsforschungsinstitut EHI. Während derzeit Mieten häufig am Umsatz bemessen werden, werde in der Branche diskutiert, ob nicht die Anzahl der Besucher die «fairere Währung» ist. Denn immer häufiger bieten Geschäfte einen Lieferservice von gekauften Produkten an – der direkte Umsatz im Laden bleibt dann aus.
Infrarot-Lichtschranke und ein Wlan-Router der mitzählt
Die Zahl der Besucher kann auf unterschiedliche Wege erfasst werden. Neben Zählen von Kassenbons oder Abschätzen, wie viele Menschen im Laden sind, werde seit etwa 20 Jahren auch mittels Infrarot-Schranke gezählt, wie viele Menschen ein Geschäft betreten, erklärt Erik Maier. Der Professor für Handelsmanagement an der Leipziger Handelshochschule (HHL) geht davon aus, dass alle größeren Einkaufszentren in Deutschland die Besucherströme messen. Gerade größere Unternehmen greifen dabei auf neue Technologien zurück.
So erfasst ein WLAN-Router etwa, wie viele Smartphones mit angeschaltetem WLAN versuchen, sich zu verbinden. Der Router erfasst die sogenannte Media-Access-Controll-Adresse, eine Nummer, keinen Namen oder andere persönliche Daten. Dennoch könnten mit ausreichend Routern Bewegungsprofile der Kunden erstellt werden, sagt Maier. Gewisse Unschärfen bestünden bei der Zählung über die WLAN-Plattform, da nicht jeder Besucher ein Smartphone in der Tasche habe, teilt eine Sprecherin des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus («Pÿur») mit. Relative Veränderungen, etwa wie viel mehr oder weniger Besucher eine Veranstaltung im Vergleich zum Vorjahr besuchten, könnten aber valide dargestellt werden.
Die kamerabasierte Kundenerkennung geht noch einen Schritt weiter als die WLAN-Methode: Videokameras zählen potenzielle Kunden und erkennen Geschlecht oder ungefähres Alter. «Das ist aber in deutschen Kaufhäusern verhältnismäßig unüblich», sagt Experte Maier. Denn der Händler bewege sich damit immer mehr im Grenzbereich dessen, was mit Datenschutz-Vorgaben vereinbar sei. Fraglich sei etwa, ob solche Aufnahmen gespeichert werden dürfen, oder ob Gesichter verpixelt und damit unkenntlich gemacht werden müssen.
Datenspeicherung, Cookies im Webbrowser und Kameras
Atzberger von EHI beobachtet einen deutlichen Anstieg der Zählung mit Kameras. Die Technik sei sowieso zum Diebstahlschutz verbaut, mittlerweile würden Gesichter direkt verpixelt. Neben den Laufwegen könne sogar die Stimmung der potenziellen Kunden analysiert werden. Ein Vorteil in Zeiten, in denen der stationäre Handel kaum etwas zum Kaufverhalten seiner Kunden weiß. Die Speicherung der Daten sei allerdings ein heißes Pflaster. «Das möchte niemand anfassen», so Atzberger. Zu groß sei die Angst bei den Händlern vor Kritik der Kunden, die großen Wert auf Datenschutz legen.
Die Verbraucherzentrale Sachsen gibt sich nicht mit der Selbstregulierung zufrieden und fordert eine entsprechende transparente und datenschutzfreundliche Regelung innerhalb der geplanten E-Privacy-Verordnung der Europäischen Union. Es müsse sichergestellt werden, dass auch durch das Tracking (Verfolgen) mit WLAN-Routern keine personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der Kunden gespeichert werde, teilt Stefanie Siegert, Referentin für Digitales und Energie der Verbraucherzentrale Sachsen, mit. «Letztlich muss der Verbraucher entscheiden können, ob er überwacht werden möchte oder nicht», so Siegert. Es könne nicht Aufgabe des Verbrauchers sein, die WLAN-Funktion auszuschalten, um nicht vom Netzwerk eines Kaufhauses erfasst zu werden.
Wissenschaftler Maier weist darauf hin, dass Verbraucher beim Online-Shopping wesentlich transparenter seien als in herkömmlichen Geschäften. Im stationären Handel erfasse unter Umständen ein Anbieter die Daten. Im Internet würden Daten, die durch Cookies bei ganz unterschiedlichen Plattformen gespeichert werden, hingegen zentral ausgewertet. Um die Datenerfassung zu umgehen, könne der Verbraucher die automatische Suche von Netzwerken in den Smartphone-Eigenschaften deaktivieren, rät Maier. Außerdem sei es sinnvoll, regelmäßig die Cookies im Webbrowser zu löschen.
Fotocredits: Sebastian Kahnert
(dpa)