So funktioniert Rechtsberatung aus dem Netz
Berlin – Stellen Sie sich vor, Ihnen wird unverhofft gekündigt. Wissen Sie, welche Rechte Sie haben? Oder Sie werden mit einem Blutalkoholwert von 0,8 Promille von der Polizei angehalten. Wie hoch wird Ihr Bußgeld ausfallen? Wissen Sie nicht? So geht es vielen.
Das hat auch Christopher Hahn beobachtet. «Oft wissen Verbraucher bei solchen Problemen gar nicht, was sie tun sollen», erklärt der Jurist. «Deshalb hört man sich zuerst im Freundeskreis um», weiß Hahn aus Erfahrung. «Und danach sucht man im Internet.» Genau da setzt Hahn mit seinem
Internet-Portal FragRobin an: «Wir wollen den Prozess digitalisieren, wie sich Anwalt und Mandant finden.»
Deswegen ist der Weg zum Rechtsanwalt auf der Seite denkbar einfach gestaltet: Der künftige Mandant wählt sein Rechtsgebiet aus – derzeit im Angebot sind Arbeit-, Familien-, Miet- und Verkehrsrecht – und klickt sich dann durch einen Fragebogen. «Am Ende bekommt der Nutzer eine Analyse seines Falles per E-Mail», erklärt Hahn. Inklusive Handlungsempfehlung und Verweis auf die Partner-Anwälte von FragRobin.
Für Juristen wird dieser Trend immer wichtiger: «Wir beobachten das Thema Digitalisierung aufmerksam», sagt Swen Walentowski, Pressesprecher des
Deutschen Anwaltvereins (DAV). Denn die Internetangebote kommen bei Verbrauchern gut an: «Die Menschen suchen nach schnellen Lösungen», sagt der Rechtsanwalt. «Und die bietet die Anwaltschaft noch nicht immer befriedigend.» Aus Sicht des DAV sind die neuen Angebote auch nicht unbedingt eine Konkurrenz.
Legal-Tech-Seiten gibt es inzwischen viele. Alle bieten Verbrauchern schnelle Lösungen für juristische Probleme. Anbieter wie Smartlaw zum Beispiel stellen Kunden vorgefertigte Verträge zur Verfügung. Das Spektrum reicht vom Kaufvertrag für ein Auto bis hin zu Gesellschaftsverträgen. Start-ups wie
FlightRight,
Euclaim oder
Fairplanemachen Entschädigungen für Fluggäste geltend.
Aboalarm will Vertragskündigungen und -verwaltung vereinfachen.
«Ich wollte ein Problem lösen, was möglichst viele Menschen betrifft», erklärt Aboalarm-Gründer Bernd Storm van’s Gravesande seine Motivation. Auf der Seite können Nutzer vorgefertigte Kündigungsschreiben für verschiedene Verträge – von Mobilfunk über Fitnessstudio bis zur KfZ-Versicherung – herunterladen und abschicken. Nach Angaben des Unternehmens wurden so seit 2008 schon rund 10 Millionen Kündigungen versandt. Wer dafür das Portal nutzt, bekommt für die meisten Anbieter zudem eine Kündigungsgarantie.
Verbraucherschützer stehen solchen Legal-Tech-Angeboten durchaus offen gegenüber: «Die Portale machen einem das Leben ein Stück weit einfacher und komfortabler», sagt zum Beispiel Annabel Oelmann. «Sie bieten meist standardisierte Verfahren zu typischen und weniger beratungsintensiven Rechtsfragen an», erklärt die Leiterin der
Verbraucherzentrale Bremen.
Allerdings stoßen einige der Start-ups mit ihren Geschäftsmodellen auch an Grenzen, sagt Swen Walentowski. Beispiel Vertragsgestaltung: «Wenn es um den Vertrag für einen Tiefgaragenstellplatz geht, muss ich dafür nicht unbedingt zum Anwalt gehen», sagt er. Wer aber zum Beispiel einen Gesellschaftervertrag aufsetzen will, kann mit vorgefertigten Verträgen in böse Fallen tappen. Einige Anbieter sprechen sich zudem von jeglicher Haftung frei. «Einen Anwalt können Sie nach einer Falschberatung zur Rechenschaft ziehen.»
Rechtsberatung funktioniert im Internet eher bei niedrigschwelligen Angeboten, findet auch Annabel Oelmann: «Die Portale können keine individuelle Rechtsberatung ersetzen.» Das sieht auch Swen Walentowski so: Ein Anwalt könne bei komplexen Problemen zum Beispiel Fragen stellen, auf die der Mandant selber nicht gekommen ist.
Fotocredits: Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke
(dpa/tmn)