Mehrheit der Deutschen zahlt im Laden mit Banknoten
Frankfurt/Main – 25 Euro Gebühr für eine Barzahlung an der Ladenkasse? Diesem Verhalten eines Stuttgarter Elektrohändlers schob die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einen Riegel vor.
Der im April publik gemachte Fall sorgte auch deshalb für Aufsehen, weil er am Grundverständnis der Mehrheit der Deutschen rüttelt: Scheine und Münzen als geprägte Freiheit – ohne Einschränkung.
«Obwohl mitunter so getan wird, als stünde die Abschaffung oder die Bedeutungslosigkeit des Bargelds unmittelbar bevor, zirkulieren mehr Banknoten denn je», bilanzierte Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele im März. Ende 2016 waren demnach Euro-Banknoten im Wert von 1126 Milliarden Euro im Umlauf. Seit Einführung des Euro-Bargeldes im Jahr 2002 habe sich der Banknotenumlauf verfünffacht. Zwar sinke der Anteil der Barzahlungen langsam, aber noch würden über die Hälfte der Ausgaben bar bezahlt, konstatiert Thiele. «Es gilt nach wie vor: Cash is King!» Ein Symposium der Bundesbank am Donnerstag in Frankfurt beschäftigt sich mit der Entwicklung des Zahlungsverkehrs.
Obwohl im deutschen Einzelhandel der Anteil der Kartenzahlungen seit Jahren kontinuierlich zunimmt, ist Deutschland nach wie vor ein Land der Barzahler. Mehr als die Hälfte der Umsätze (51,6 Prozent) an den Ladenkassen werden nach jüngsten Zahlen der Handelsverbandes HDE mit Schein und Münze getätigt. «Die Barzahlung wird auf absehbare Zeit weiterhin ein wesentlicher Bestandteil des Zahlungsmixes im Einzelhandel sein», prognostizierte HDE-Experte Ulrich Binnebößel.
Aber ist Bargeld nicht einfach zu teuer? Scheine müssen gedruckt, Münzen geprägt werden. Panzerwagen bringen die wertvolle Ware von A nach B. Sprengen Kriminelle – wie zuletzt häufiger geschehen – einen Geldautomaten in die Luft, ist der Schaden nicht selten sechsstellig. Dennoch: «Mit Bargeld sind in den meisten Ländern die niedrigsten Kosten pro Transaktion verbunden», resümiert eine Deutsche-Bank-Studie. Auch ein im April veröffentlichtes Gutachten des wissenschaftlichen Beirats im Bundeswirtschaftministerium führt aus: «Zahlungen per Kreditkarte … sind in Europa durchweg teurer als Barzahlungen oder Zahlungen per Debitkarte.»
Für viele Verbraucher haben andere Argumente noch größeres Gewicht: Wer mit Schein und Münze zahlt, hinterlässt keine elektronischen Spuren, behält den Überblick über seine Finanzen und muss sich keine Sorgen machen, dass beim Einkaufen sensible Bankdaten geklaut werden.
Einer repräsentativen Umfrage der Direktbank ING-Diba zufolge wollen 84 Prozent der Deutschen niemals vollständig auf Bargeld verzichten. Neun von zehn der 1002 Erwachsenen, die dazu in diesem Februar befragt wurden, gaben an, sie hätten fast immer oder häufig Bargeld bei sich – das liegt deutlich über dem Schnitt der 13 betrachteten europäischen Länder (79 Prozent).
Während in Schweden manche Parkuhren keine Münzen mehr annehmen und in Kirchen per Automat gespendet wird (Motto: «Bargeld braucht nur noch deine Oma – und der Bankräuber») oder es in London üblich ist, selbst Kleinstbeträge wie das Busticket oder den Coffee to go mit Karte zu zahlen, setzen sich moderne digitale Bezahlverfahren in Deutschland nur schleppend durch. «Restaurantbesuche, Taxen und öffentliche Verkehrsmittel werden immer noch viel öfter als im europäischen Durchschnitt in bar bezahlt», sagt ING-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski.
Die beschlossene Abschaffung des 500-Euro-Scheins und Überlegungen der EU-Kommission, Obergrenzen für Bargeldgeschäfte einzuführen, bestärkt die Bargeldbefürworter eher noch – zumal umstritten ist, ob solche staatlich verordneten Einschnitte überhaupt die erhoffte Wirkung zeigen. «Versuche zur Bekämpfung von Schattenwirtschaft und Kriminalität durch eine drastische Erschwerung oder gar Abschaffung der Verwendung von Bargeld sind … unverhältnismäßig und im Übrigen nur bedingt wirksam», halten die Gutachter des Bundeswirtschaftsministeriums fest. «Allein die Beobachtung, dass die Verwendung von Bargeld rückläufig ist, in einigen Ländern inzwischen sogar vernachlässigbar gering ist, ist kein Grund dafür, dass diese Entwicklung von Staats wegen beschleunigt werden sollte.»
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(dpa)