Jugend weiß wenig über Wirtschaft
Berlin – Was genau ist nochmal die EZB? Und was versteckt sich hinter einer Rendite? Die Wirtschaftswelt ist nicht immer einfach zu verstehen. Und laut einer neuen
Studie haben auch junge Leute dabei Schwierigkeiten.
«Bei einigen Themen ist es leicht besser geworden», sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Andreas Krautscheid. Aber die Zahlen seien immer noch relativ überschaubar und bescheiden.
Das Marktforschungsunternehmen GfK befragte im Auftrag des
Verbands 650 junge Menschen im Alter von 14 bis 24 Jahren. Das Ergebnis: Acht von zehn können erklären, was eine Aktie ist. Aber nur die Hälfte weiß, dass eine Rendite angibt, wie viel man mit einer Geldanlage in einer gewissen Zeit verdient. Vier von zehn Befragten wissen der Studie zufolge auch nicht, was Inflation ist.
«Man merkt ganz deutlich, dass es so an den Grundbegriffen scheitert», sagt Krautscheid. Im Erwachsenenleben nützten dann die besten Verbrauchertipps wenig. Man müsse bestimmte Grundprinzipien kennen. Etwa dass bei der Geldanlage in der Regel dann die Risiken steigen, wenn sie mit höheren Gewinnen locken. Laut der Studie konnte das ein Viertel nicht richtig einschätzen.
Dabei sorgen auch junge Leute vor. Die Hälfte spart der Umfrage zufolge regelmäßig – zumindest wenn man sich auf das verlässt, was die Leute selbst gesagt haben. Beim Wirtschaftswissen gehe es um alltägliche Dinge, betont auch der Ökonom Marcel Fratzscher. Er leitet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und sieht nicht nur bei jungen Leuten Nachholbedarf.
«Erschreckend viele Menschen in Deutschland, nicht nur unter den jungen Generationen, können nichts mit einfachen Wirtschafts- und Finanzkonzepten anfangen», erklärt Fratzscher. Der Wissenschaftler plädiert wie der Bankenverband seit Längerem für ein verpflichtendes Schulfach Wirtschaft.
Für manche bleiben Geldgeschäfte und Börsen ein Mysterium. Eines, das eher in Kinofilmen spielt als im eigenen Alltag. Entsprechend schätzen junge Leute ihr Wissen über die Finanzwelt ein. In der Umfrage stimmten 67 Prozent der Aussage zu, dass sie «von dem, was an der Börse passiert», keine Ahnung haben. Eine frühere Befragung zeige auch bei Erwachsenen Lücken, sagt Christian Jung vom Bankenverband.
Hauptgeschäftsführer Krautscheid sieht daher Schulen in der Pflicht. In der Studie hätten 63 Prozent angegeben, im Unterricht nicht so viel oder so gut wie nichts über Wissenschaft und Finanzen gelernt zu haben. 8 Prozent sagten, sie hätten keinen Unterricht zu Wirtschaft gehabt. Ein Großteil stimmte der Aussage zu, dass die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge einen höheren Stellenwert in der Schule bekommen sollte. Krautscheid sieht sich bestärkt.
Über Wirtschaft wird in der Schule natürlich längst gesprochen. Das räumt auch der Bankenverband ein. Das Thema sei auf der Agenda der Politiker nach oben gerückt und es habe auch Fortschritte gegeben, schreibt der Bankenverband. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel will die ökonomische Bildung ausbauen. «Trotzdem: Ein flächendeckendes eigenständiges Schulfach Wirtschaft gibt es bislang immer noch nicht.»
In vielen Bundesländern wird Wirtschaft mit anderen Feldern kombiniert, zum Beispiel als «Politik/Wirtschaft», «Sozialwissenschaften» oder «Gemeinschaftskunde». Oder das Thema wird in anderen Fächern wie Geschichte und Geografie beackert. In Baden-Württemberg gibt es mittlerweile ein Schulfach Wirtschaft. Es heißt «Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung». Oder kurz WBS.
Das Fach soll zusammenführen, was Schüler bisher am Rande in Geschichte, Geografie oder Gemeinschaftskunde lernten. Ob das funktioniert, vermag bisher niemand zu sagen. Es sei noch zu früh für ein Fazit, heißt es im Kultusministerium. An Gymnasien startet WBS als vollwertiges Pflichtfach auch erst mit den Achtklässlern nach den Sommerferien.
Denn was genau auf den Lehrplan gehört, ist keine einfache Frage. Was kritisiert wird, hängt vom Blickwinkel ab. Den Gewerkschaften sind Themen zu unternehmerfreundlich, auf Seiten der Arbeitgeber ist es genau umgekehrt.
Dagegen sind der Lehrergewerkschaft GEW manche Konzepte der Unternehmensverbände zu einseitig. «Wir plädieren sehr für eine ökonomische Bildung», sagt GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann. Aber sie müsse Schüler dazu befähigen, Dinge kritisch zu hinterfragen. Es müsse über die Schere von Arm und Reich, schlechte Arbeitsverhältnisse und ökologische Folgen gesprochen werden.
Hoffmann warnt auch: «Man kann nicht alle Wissenslücken mit neuen Fächern füllen.» Ähnlich sieht das Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). «Ich bin kein Fan davon, immer neue Schulfächer einzuführen», sagt sie. Auch die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg pochen weniger darauf, dass es ein eigenes Pflichtfach nur zur Wirtschaft gibt. Die Lehrpläne enthielten auch jetzt viele Themen oder etwa Fächer wie Wirtschaft/Arbeit/Technik. Entscheidend sei am Ende, was vermittelt werde.
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(dpa)