Hessen: Ypsilanti siegt
„Die Sozialdemokratie ist wieder da!“, erklärte eine siegestrunkene Andrea Ypsilanti am gestrigen Abend, und fügte frech hinzu: „Das gilt auch für die Bundesebene, meine Damen und Herren.“
Tatsächlich ist das Ergebnis, das die hessische SPD erzielt hat, eindrucksvoll; wenn auch sie nach Zahlen hinter Roland Kochs CDU zurückbleibt: Den letzten Hochrechnungen zufolge erreichte die CDU 36,8%, die SPD 36,7%. Diese Ergebnisse sind, angesichts einer Wahlbeteiligung von lediglich 64,4%, eigentlich nicht besonders gut.
Aber nach diesem Wahlkampf konnte man kaum etwas anderes erwarten. Kochs populistische Parolen scheinen dem Gedanken entwachsen, dass es in Zeiten einer Großen Koalition auf Bundesebene klarer Worte bedarf, wenn eine Partei sich profilieren möchte. Profiliert hat er sich ohne Zweifel; allerdings um den Preis seiner Macht. Übrigens sieht der berüchtigte PI-Blog – immer gut für ein paar Ressentiments – in Kochs Niederlage einen „Sieg der linken Medien“. Rührend.
Die CDU – 2003 errang sie noch die absolute Mehrheit – musste über zwölf Prozentpunkte gegenüber dem letzten Landtagswahlkampf einbüßen. Das ist deutlich.
Ebenso eindeutig fällt das Votum pro SPD aus: Noch vor wenigen Monaten hätte niemand der Ypsilanti-Partei zugetraut, es mit dem vermeintlich unantastbaren Roland Koch aufzunehmen. Sie haben sich getäuscht: Die Gewinne der SPD lassen sich durchaus als die Verluste der CDU verstehen.
Wobei man sich fragen muss, ob der Wähler nur Roland Koch für seinen populistischen Wahlkampf abstrafen wollte: Der Sieg der Hessen-SPD droht empfindliche Folgen auf Bundesebene zu haben – wie Frau Ypsilanti am gestrigen Abend bereits andeutete. Mit anderen Worten: Der vielbeobachtete „Linksruck“ scheint vom Wähler bestätigt zu werden. Es steht zu befürchten, dass die Bundes-SPD sich vermehrt von ihrer Reform-Agenda abwenden und – um der anstehenden Wahlkämpfe Willen – dem allumsorgenden Sozialstaatsmodell der späten Siebziger zuwenden wird.
Man kann Herrn Clement seine offene Kritik kaum verdenken.