Grüner einkaufen
Berlin – Mal ehrlich: Schließen Sie den Deckel, wenn Sie im Supermarkt an einer offenen Kühltruhe vorbeikommen? Zu Hause sind Sparen und Klimaschutz für viele Deutsche selbstverständlich – doch der Supermarkt und das Modegeschäft nebenan sind oft Energieschleudern.
Das soll sich ändern: Der Handel bläst zur
Klimaschutzoffensive. Doch mit sparsamen Märkten allein wird es nicht getan sein, soll es spürbare Effekte geben. Es kommt auch darauf an, wie die Ware in die Läden kommt. Und es müssten noch viele Kunden umdenken.
«Sie glauben ja gar nicht, wie viel Strom ein Kühlschrank mehr verbraucht, wenn nur eine kleine Gummidichtung kaputt ist!» Mit solchen Sätzen will der Handelsverband Deutschland (HDE) die Klimamuffel in seinen Reihen wachrütteln. Sie sollen lernen, regelmäßig Kühltruhen abzutauen und Lüftungsgitter abzustauben, abends das Licht und Bildschirme im Laden auszuschalten.
Denn viele Ladenbetreiber haben sich daran gewöhnt, im Jahr 60 bis 70 Euro je Quadratmeter für Wärme und Strom auszugeben, gut und gerne drei Mal so viel wie ein Normalbürger. Gegen die Energiekosten stemmen sich bislang vor allem große Handelsketten, wie Stephan Tromp sagt, Vize-Hauptgeschäftsführer beim HDE.
Aldi Süd etwa hat auf zwei Drittel seiner Filialdächer Solarmodule aufgestellt, Lidl heizt neue Filialen auch mit der Abwärme der Kühlgeräte. Tromp sagt: «Wir wollen kleine und mittlere Betriebe ermuntern, es ihnen nachzutun.»
Schon schmücken schöne Beispiele Broschüren: Ein Fachwerk-Dorfladen bei Bremen erzeugt seinen eigenen Strom, ein Modehaus in Oberbayern baut dickere Schaufenster ein, ein Einkaufszentrum mustert Halogenstrahler aus.
Doch mit Energiesparen im Laden allein ist es nicht getan, meint Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Er sieht, dass werbewirksam E-Auto-Ladesäulen auf Supermarktparkplätzen stehen, während die Händler ihre Kunden weiter mit Diesel-Transportern beliefern. Die ganze
Lieferkette müsse klimafreundlicher werden, meint Hilgenberg. Dazu müsse der Handel auch Druck für mehr E-Fahrzeuge bei den Herstellern machen.
Produkte mit langen Transportwegen müssten für die Kunden teurer sein. «Wenn eine Verbraucherin in Hamburg meint, sie müsse Alpenmilch kaufen, kann ich das nicht ändern», sagt Hilgenberg. «Aber die darf dann nicht die billigste sein.»
Weniger Fleisch, mehr Bio, weniger Lebensmittel in den Müll, lieber Möhren aus der Region als Avocado aus den Tropen –
Klima-Einkaufstipps wie die des Bundeszentrums für Ernährung kennen viele Kunden. Nun bekommen auch die Ladenbetreiber Tipps: Etwa dass 7 Grad beim Kühlschrank reichen und bei Truhen minus 18. Dass man Stromverträge jährlich prüft und wenn nötig den Anbieter wechselt, möglichst auf Öko-Strom.
«Die Tarife sind oft nicht teurer, und Sie können einen schicken Hinweis in Ihrem Laden anbringen, dass Sie Ökostrom beziehen», heißt es aufmunternd. «Ein bisschen angeben darf man hier schon.»
Denn Marketing-Experten meinen schon länger, dass Kunden es goutieren, wenn Händler an die Umwelt denken. Dass etwa Plastiktüten nun Geld kosten, nahmen sie hin, und heute geht nach Branchenangaben ein Drittel weniger Tüten über den Ladentresen.
Oder sollte man besser gleich online einkaufen, um Umwelt und Klima zu schonen? Da gibt es unterschiedliche Erkenntnisse. Eine Studie im Auftrag des Versandhändlers Otto ergab, dass das trotz Retouren weniger klimaschädlich sei als mit dem Auto einzukaufen – jedenfalls was die Transportbilanz angeht. Das kann sich aber schon ändern, wenn man mit Fahrrad oder Bus fährt statt mit dem Auto, wie auch die Studienautoren meinen.
Online einzukaufen, spare außerdem oft Zeit – Zeit, in der der Kunde an anderer Stelle weitere Energie verbraucht, sei es im Kino oder bei einer Autofahrt ins Grüne. Dann gewinnt häufig stationäres Einkaufen in der Klimabilanz, wie Forscher der Uni Frankfurt (Oder) und der Handelshochschule Leipzig ermittelten.
Es hänge davon ab, was man braucht, meint BUND-Experte Hilgenberg. «Müllbeutel muss man sich nicht schicken lassen.» Bevor man aber für einen Spezialartikel sieben Geschäfte in fünf Städten mit dem Auto abklappere, bestelle man lieber im Netz.
Fotocredits: Marcel Kusch
(dpa)