Braucht man Notvorräte in Corona-Zeiten?
Rielasingen – 51.931 Kilokalorien enthält der Notvorrat «Classic». Laut dem Hersteller «SicherSatt» bietet er genügend Lebensmittel, um eine Person 30 Tage lang zu versorgen.
Stolze 280 Euro kostet das Paket – dafür bekommt der Kunde Vollmilchpulver, Kartoffelpüree, Rote Linsen, Schwarze Bohnen, Kichererbsen, Dinkelflocken, Zucker, Weizenmehl, Nudeln, gefriergetrocknetes Gemüse, Reis und Volleipulver in vakuumierten Dosen, dazu Brühe, Soße und Energieriegel. Geschäftsführer Philipp Nater kommt mit dem Abfüllen und Verpacken derzeit kaum noch hinterher. «Wir haben in einer Woche so viele Bestellungen reinbekommen wie sonst in einem Jahr», sagt er.
Notfall-Pakete von «SicherSatt»
Gegründet wurde «SicherSatt» 2010 in der Schweiz, Nater ist seit 2012 dabei. Die Firma vertreibt in Wald bei Zürich und im baden-württembergischen Rielasingen Notfall-Pakete mit Lebensmitteln, Kochgeräten und anderer technischer Ausrüstung. Das neue Coronavirus beschert nun volle Auftragsbücher: Bereits im Januar habe die Nachfrage zugenommen, sagt Nater. «So richtig los ging es aber, als das Virus auch in Italien aufkam.» Inzwischen hat die Firma eine Lieferzeit von mehr als 12 Wochen. Er selbst halte die Sorge um Covid-19 für «völlig überrissen», sagt Nater. «Aber das Virus hat auch etwas Gutes: Die Leute sind aufmerksamer, wenn es um das Thema geht.»
Aber was braucht man eigentlich wirklich? Muss es tatsächlich das Rundum-Sorglos-Paket für teures Geld sein? Oder palettenweise Klopapier, Nudeln und Dosenravioli? «Nein», sagt Michael Willms, Referatsleiter in der Abteilung für Bevölkerungsschutz und Krisenmanagement im baden-württembergischen Innenministerium. «Angesichts von Corona macht es überhaupt keinen Sinn, irgendwelche Lagerbestände anzuschaffen.» Bilder von leeren Supermarktregalen suggerierten möglicherweise Versorgungsengpässe. «Die gibt es aber de facto nicht», sagt Willms. «Es muss keiner befürchten, in nächster Zeit in einen Mangel von Bedarfsgegenständen zu kommen.»
Menschen sind durch Berichterstattung verunsichert
Er vermute zwei Gründe hinter dem Bedürfnis mancher Bürger, sich jetzt umfassend mit Vorräten einzudecken. «Auf der einen Seite ist das ein Stück weit Psychologie, dass die Menschen sich sicher fühlen, wenn sie was tun können», sagt Willms. «Und das Ganze wird aus meiner Sicht auch dadurch getriggert, dass man natürlich insbesondere aus China Bilder im Kopf hat von Ausgangssperren und ähnlichen Dingen.» Aber selbst wenn jemand in Deutschland wegen einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus in Quarantäne müsse, werde für ihn gesorgt. «In den Fällen, wo es kein soziales Umfeld gibt, dass einen versorgen kann, ist letztendlich die Wohnsitzgemeinde gefordert, dafür zu sorgen, dass das Notwendige zur Verfügung gestellt wird. Es muss keiner befürchten, in einer häuslichen Isolation von der Außenwelt, Nahrungsmitteln und Bedarfsgegenständen abgeschnitten zu sein.»
Sinnvoll sei dagegen – unabhängig von Covid-19 – ein «rollierender» Vorrat, der aus Produkten besteht, die man mag und die in den bereits bestehenden Haushalt integriert werden können, so Willms. Das betont selbst Nater: «Man muss seinen Notvorrat nicht bei uns kaufen.» Genausogut könne man haltbare Lebensmittel aus dem Supermarkt nehmen und das Essen dann regelmäßig aufbrauchen und nachkaufen. Das Angebot seiner Firma richte sich an Menschen, die dafür keine Zeit hätten, sagt Nater. «Unsere Pakete kann man in den Schrank stellen und muss sich nicht weiter darum kümmern.» Zehn Jahre Haltbarkeit garantiert das Unternehmen, die meisten Lebensmittel seien aber länger genießbar.
Ratgeber für die Notfallvorsorge
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gibt seit Jahren einen Ratgeber für die Notfallvorsorge heraus. Darin sind beispielsweise Tipps enthalten, wie man sich im Fall einer Katastrophe wie Hochwasser, Stromausfall oder Sturm richtig verhält. Zudem gibt es eine Checkliste etwa zu Hygieneartikeln, Brandschutz oder zum Anlegen einer Hausapotheke. Außerdem rät die Behörde zu einem Zehntage-Vorrat pro Person – der unter anderem 20 Liter Getränke, dreieinhalb Kilogramm Getreide, Brot, Kartoffeln, Nudeln oder Reis und vier Kilo Hülsenfrüchte und Gemüse enthalten sollte. «Ihr Ziel muss es sein, 10 Tage ohne Einkaufen überstehen zu können», heißt es in der Broschüre. Die Behörde betont aber auch: «Eine Bevorratung, die über den Ratgeber hinausgeht, wird aus fachlicher Sicht als nicht sinnvoll erachtet.»
Hat Nater denn schon mal Rückmeldung von Käufern bekommen, die eines der Pakete wirklich gebraucht haben? «Eine Kundin aus der Toskana hat mir erzählt, dass sie vor zwei oder drei Jahren von einem Wintereinbruch überrascht und eingeschneit wurden. Sie hat dann unsere Produkte verwendet», sagt Nater. Er betont: Es gehe nicht darum, immer gleich die große Katastrophe anzunehmen. Für frühere Generationen sei es aber völlig normal gewesen, Lebensmittel etwa im Keller zu lagern, sagt Nater. «Da hieß es noch: Kluger Rat – Notvorrat.»
Fotocredits: Felix Kästle
(dpa)