Auch wer auf dem Balkon raucht, gefährdet seine Kinder
Göttingen – Kinder von Rauchern leiden nach Einschätzung von Experten selbst dann häufiger unter Bronchitis oder Asthma, wenn die Eltern nicht in der Wohnung zur Zigarette greifen.
«Wer auf dem Balkon oder vor der Haustür raucht, schleppt anschließend in seinen Haaren und in der Kleidung Rauch in die Wohnung», erklärt die Lungenspezialistin Christiane Lex von der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). «Und wenn Kinder damit in Kontakt kommen, kann dies krank machen.»
Lex, die an der UMG den Schwerpunkt Kinder-Lungenheilkunde leitet, organisiert in diesem Jahr die Zentralveranstaltung des 20. Deutschen Lungentages. Dabei steht am 16. September in Göttingen das Thema Prävention im Mittelpunkt. Der
Lungentag wird von wissenschaftlichen Gesellschaften der Lungenheilkunde und Patientenorganisationen getragen.
Den meisten rauchenden Eltern sei inzwischen bewusst, dass der Qualm für ihre Kinder gefährlich ist, sagt Lex. «In Wohnungen wird deshalb auch immer weniger geraucht.» In den Sprechstunden der Kinderärzte berichteten viele Eltern, dass sie «nur» auf dem Balkon oder vor der Tür rauchen. «Sie denken, dass damit keine Gefahr mehr für ihre Kinder besteht.» Das sei allerdings falsch. «Auch wenn Eltern nur draußen rauchen, haben deren Kinder deutlich häufiger Asthma oder Bronchitis als Kinder von Nichtrauchern.»
Es gebe zwar keine Studien dazu, wie groß die Gefahr für Kinder ist, die von «Draußen-Rauchern» ausgeht, sagt der Pneumologe Tobias Raupach von der Göttinger Universitätsmedizin. Zigarettenrauch enthalte aber eine so hohe Konzentration an Feinstaubpartikeln, «dass auch die Exposition gegenüber geringen Mengen schon Auswirkungen auf den Organismus haben kann».
«Wer draußen raucht, schleppt Nikotin und krebserzeugende Substanzen, lungengängige Partikel und weitere giftige Stoffe mit in die Wohnung», erklärt Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. Tabakrauch enthält mehr als 4000 Chemikalien, von denen mindestens 200 für Menschen schädlich sind.
Nach Angaben des DKFZ gelangen nicht nur aus den Haaren und der Kleidung, sondern auch von den Händen Bestandteile des Tabakrauchs in die Raumluft. Raucher atmeten zudem noch bis zu 90 Sekunden nach dem letzten Zug Rauchpartikel aus. All dies führe dazu, dass Rückstände von Tabakrauch auch in Wohnungen zu finden sind, in denen nie geraucht wurde.
Auch die Pädiaterin Gesine Hansen von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) erklärt: «Rauchen ist ein großer Risikofaktor für Lungenerkrankungen bei Kindern, auch in Raucherhaushalten, in denen nur im Freien geraucht wird.» In den Wohnungen solcher Haushalte gebe es zum Beispiel erhöhte Nikotin-Werte im Hausstaub, sagt die Ärztliche Direktorin des MHH-Zentrums für Kinderheilkunde und Jugendmedizin.
Betroffen vom eingeschleppten Rauch seien in erster Linie Babys und Kleinkinder, sagt Krebsforscherin Schaller. «Man nimmt sie ja auf den Arm.» Gefahr bestehe auch, weil kleine Kinder alles in den Mund nehmen und ablutschen.
Über die langfristigen Auswirkungen dieser Schadstoffaufnahme ist nach Schallers Worten zwar noch relativ wenig bekannt. Grundsätzlich reagieren Kinder nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aber besonders empfindlich auf die im Tabakrauch enthaltenen Giftstoffe, weil sich ihre Organe noch in der Entwicklung befinden. Die Lunge zum Beispiel könne schnell erheblich geschädigt werden.
Schaller rät deshalb: «Wenn man draußen raucht, dann am besten mit Jacke und Mütze, die man hinterher auszieht, damit kein Rauch in Kleidung und Haare gelangt.» MHH-Pädiaterin Hansen ist noch entschiedener. Sie rät Eltern, «ganz auf das Rauchen zu verzichten, um ihre Kinder nicht nachhaltig zu schädigen». Denn, so sagt der Göttinger Pneumologe Raupach: «Da es für die Wirkung des Passivrauchs auf den Organismus keinen Schwellenwert gibt, unterhalb dessen keine Gefahr bestünde, ist jegliche Exposition mit einer Gefahr verbunden.»
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(dpa)