Wie sich die Rentenlücke schließen lässt
Bochum – Im Alter gemütlich Zeit im Garten verbringen oder auf Reisen die Welt entdecken? So in etwa stellen sich viele ihren Ruhestand vor.
Das Problem: Wer sich allein auf die gesetzliche Rentenversicherung verlässt, wird mit dem Geld vermutlich kaum auskommen. Denn schon heute steht in den meisten Fällen fest, dass es ohne private Vorsorge nicht geht.
Länger arbeiten – das ist nicht nur für viele Politiker eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen. Auch manche Arbeitnehmer wollen sich mit Erreichen des Rentenalters nicht gleich aus dem Erwerbsleben verabschieden. Stellt sich die Frage: Was bringt ein späterer Renteneintritt? Lässt sich die Rentenlücke schließen, wenn alle bis 70 arbeiten? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Studie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag von Fidelity International.
Auf Grundlage des geltenden Rentenrechts erarbeiteten Prof. Martin Werding und Benjamin Läpple darin Modellrechnungen auf Basis typischer Erwerbsbiografien für verschiedene Berufsgruppen. Eine Grundannahme: Beim Renteneintritt sollte das Einkommen bei 85 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens im letzten Erwerbsjahr liegen.
Das zentrale Ergebnis: Längeres Arbeiten allein ist keine Lösung. So wird die Rentenlücke zwar kleiner, wenn Beschäftigte statt mit 67 erst mit 70 Jahren in Rente gehen. Ohne zusätzliche Vorsorge lässt sich der Lebensstandard im Alter aber nicht halten.
Ein Beispiel: Ein Facharbeiter, der 1975 geboren wurde, verheiratet ist und ein Kind hat, verdient derzeit 38 899 Euro brutto pro Jahr. Geht er mit 67 Jahren in Rente, kann er mit einer monatlichen Nettorente von 1645 Euro rechnen. Gemessen an seinem letzten Nettoeinkommen vor dem Renteneintritt, das bis dahin auf 2922 Euro steigt, ergibt das eine Rentenlücke von 839 Euro im Monat.
Geht der Facharbeiter nun erst mit 70 Jahren in Rente, steigt seine monatliche Nettorente auf 2019 Euro. Die Rentenlücke schrumpft auf 585 Euro – verschwunden ist sie damit aber noch lange nicht.
«Das zeigt eines ziemlich klar», sagt Dirk Ulbricht, Direktor des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) in Hamburg. «Man muss sich vom Tagesgeldkonto und dem Sparbuch als Geldanlage verabschieden.» Denn ohne ein wenig Risiko schaffen es Anleger kaum, das nötige Kapital anzusparen.
Und noch etwas zeigt die Studie eindeutig: Je früher das Sparen beginnt, desto geringer kann die monatliche Sparrate ausfallen. Bei dem genannten Beispiel heißt das: Beginnt der Facharbeiter bei Berufseintritt mit dem Sparen, muss er monatlich 180 Euro beiseite legen, um seine Rentenlücke zu schließen, wenn er mit 67 Jahren in Rente geht. Spart er dagegen erst, wenn er noch rund 25 Jahre zu arbeiten hat, muss er schon 393 Euro pro Monat aufbringen. Zugrunde gelegt wurde jeweils eine Rendite von drei Prozent pro Jahr.
Solche Wertentwicklungen sind mit Zinsprodukten derzeit aber kaum möglich. Daher kommen Sparer um schwankungsanfälligere Anlagen nicht herum. Wer breit gestreut auf Aktien setzt, nimmt zwar das Kursrisiko in Kauf, kann dafür langfristig aber auch mit einer höheren Rendite rechnen, erklärt die Stiftung Warentest.
Angst vor Crashs müssen Anleger dabei nicht haben: Selbst nach schweren Rückschlägen hat sich der weltweite Aktienmarkt in der Vergangenheit immer wieder berappelt. Bei einem Anlagezeitraum von 20 Jahren machten Anleger auch im schlechtesten Fall keinen Verlust.
Literatur:
Brigitte Wallstabe-Watrermann u.a.: «Anlegen mit ETF – Geld investieren mit ETF und Indexfonds», Stiftung Warentest 2018, 176 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978-3-86851-295-3
Thomas Hammer: «Geldanlage – Einfache Strategien für ihre Finanzplanung», Verbraucherzentrale NRW 2017, 206 Seiten, ISBN-13: 978-3-86336-081-8, 16,90 Euro
Stefanie Kühn, Markus Kühn: «Handbuch Geldanlage – Aktien, Fonds, Anleihen, Festgeld, Gold und Co.», Stiftung Warentest 2017, 416 Seiten, 34,90 Euro, ISBN-13: 978-3-86851-395-0
Margit Winkler: «Vorsorgen ist keine Frage des Alters, Walhalla Fachverlag 2015, 176 Seiten, ISBN-13: 978-3-8029-3943-3, 19,95 Euro
Fotocredits: Silvia Marks
(dpa/tmn)