Mehr OPs wegen Rückenschmerzen
Gütersloh – Patienten mit Rückenschmerzen werden immer öfter im Krankenhaus behandelt und landen immer häufiger auf dem OP-Tisch. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, die auf Zahlen des Statistischen Bundesamts und eigenen Berechnungen beruht.
2015 zählten die Forscher demnach 611 000 Krankenhausaufenthalte wegen Erkrankungen der Wirbelsäule und des Rückens. Das sind 154 000 Fälle mehr als 2007, ein Plus von 34 Prozent. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl aller stationärer Behandlungen nur um 12 Prozent gestiegen.
Auch die Zahl der operativen Eingriffe nahm zu: 2015 gab es bundesweit 772 000 Eingriffe wegen Rückenbeschwerden. Zum Vergleich: 2007 waren es 452 000. Das ist ein Plus von 71 Prozent. Dabei gibt es je nach Region große Unterschiede, ob die Ärzte operieren oder eine andere Behandlungsmethode wählen. Beispielsweise kamen im Landkreis Fulda operative Versteifungen der Wirbelsäule (Spondylodesen) pro 100 000 Einwohner 13-mal so häufig vor wie in Frankfurt/Oder.
Auch ist die Wahrscheinlichkeit, mit Rückenschmerzen ins Krankenhaus zu kommen, im Saarland deutlich höher als in Baden-Württemberg.
Die starken regionalen Unterschiede lassen sich dabei nach Aussage der Forscher nur zu einem kleinen Teil auf objektive Faktoren wie die Zahl der Orthopäden vor Ort zurückführen. Sie seien auch nicht darauf zurückzuführen, dass die Menschen häufiger Rückenprobleme haben. Die Experten nennen andere Ursachen: «Die Zunahme der Eingriffe und die regionalen Unterschiede hängen auch mit den Vorlieben der ortsansässigen Mediziner zusammen», sagte Eckhard Volbracht von der
Bertelsmann-Stiftung, der an der Studie beteiligt war. «Die Entscheidung sollte aber unabhängig vom Wohnort, finanziellen Interessen und individuellen Vorlieben der ortsansässigen Ärzte fallen», betonte er.
Die Bertelsmann-Stiftung fordert deswegen, dass die Krankenhäuser und Ärzte über auffällige «Leistungsmengen» schnell eine Rückmeldung erhalten und die medizinischen Fachgesellschaften für die Praxen und Kliniken evidenzbasierte Leitlinien entwickeln.
Vor geplanten Operationen zweite Meinung einholen
Patienten sollten einen zweiten Arzt um Rat fragen, wenn sie unsicher sind, ob eine geplante Operation wirklich notwendig ist. Laut einer am Montag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Zahl der Operationen am Rücken in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Außerdem werde in manchen Regionen deutlich häufiger operiert als in anderen.
Das Einholen einer zweiten Meinung sei sinnvoll, wenn die Diagnose dafür genügend Zeit lässt, erklärt Prof. Frank Kandziora, Chefarzt des Zentrums für Wirbelsäulenchirurgie und Neurotraumatologie an der BG Unfallklinik Frankfurt am Main. «Hat der Patient einen Tumor oder Lähmungserscheinungen, führt häufig kein Weg an einer schnellen OP vorbei.»
Anders sei es zum Beispiel bei unkomplizierten Bandscheibenvorfällen. Hat der Patient moderate Schmerzen, aber keine Lähmungserscheinungen, sei Skepsis angebracht, wenn der behandelnde Arzt eine OP vorschlägt. Die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft betreibt selbst ein Zweitmeinungsportal, über das Patienten in solchen Fällen Spezialisten für eine weitere Einschätzung suchen können. Auch viele Krankenkassen haben solche Angebote.
Der zweite Arzt könne seine Einschätzung grundsätzlich mit der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen, erklärt Claudia Widmaier vom GKV-Spitzenverband. Zu dem Termin müssen Patienten allerdings alle Untersuchungsergebnisse wie Röntgenbilder mitbringen. Eine erneute Diagnostik bezahlt die Kasse in der Regel nicht.
Prof. Kandziora rät, bei der Wahl des zweiten Arztes auf dessen Qualifikation zu achten. «Es sollte sich um einen Facharzt für die jeweilige Erkrankung handeln.»
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(dpa)