BGH: Bausparkassen dürfen gut verzinste Altverträge kündigen
Karlsruhe – Bausparer haben keine Chance, sich gegen die Kündigung eines alten Bausparvertrags mit hohen Zinsen zu wehren. Einen solchen Vertrag über mehr als zehn Jahre als reine Sparanlage laufen zu lassen, widerspreche dem Sinn und Zweck des Bausparens, entschied der Bundesgerichtshof.
Das Ansparen eines Bausparvertrags sei dazu gedacht, Anspruch auf ein Darlehen zu erlangen, begründet der Bundesgerichtshof (BGH). Dieser Zweck sei mit Erlangen der Zuteilungsreife erreicht. (Az. XI ZR 185/16 u.a.)
In der anhaltenden Niedrigzinsphase haben die Bausparkassen ihren Kunden seit 2015 schätzungsweise 250 000 Verträge gekündigt, die noch nicht vollständig bespart waren. Der einst festgeschriebene Zinssatz ist für sie inzwischen eine wirtschaftliche Belastung. Denn viele Bausparer verzichten darauf, ihr Darlehen in Anspruch zu nehmen. Stattdessen nutzen sie den Vertrag lieber als lukrative Sparanlage.
Ist der Vertrag seit zehn Jahren zuteilungsreif, haben die Institute laut BGH-Urteil aber ein Kündigungsrecht. Die bereits ausgesprochenen Kündigungen waren also rechtens. Außerdem ist für die Kassen der Weg frei, um weitere Verträge kündigen zu können.
Der Richterspruch entschied zwei Prozesse, die die Bausparkasse Wüstenrot mit gekündigten Kundinnen führte. Weil die obersten Zivilrichter die Linie für die gesamte deutsche Rechtsprechung vorgeben, ist das Urteil aber von größerer Bedeutung. Beim BGH sind nach Angaben des Vorsitzenden Richters Jürgen Ellenberger derzeit mehr als 100 Bauspar-Verfahren anhängig.
Wegen der seit Jahren extrem niedrigen Zinsen finden Sparer kaum mehr rentable Anlageformen. Gleichzeitig sind Baukredite zu günstigen Konditionen leicht zu bekommen. Das höhlt das klassische Bauspar-Modell aus. Denn auf dessen Hauptvorteil, ein sicheres Darlehen zu verlässlichen Konditionen, ist kaum jemand angewiesen. Den Bausparkassen fällt außerdem auf die Füße, dass sie die Zinsen in der Sparphase vor Jahren auf nahezu unbegrenzte Zeit festgeschrieben haben. Heute gibt es solche Zinssätze so gut wie nirgendwo mehr.
Aus Sicht der Institute geht es vorrangig darum, durch regelmäßige Einzahlungen den Anspruch auf ein günstiges Darlehen zu erwerben. «Ein Bausparvertrag ist kein normaler Sparvertrag», hatte für Wüstenrot BGH-Anwalt Reiner Hall argumentiert.
Für die unterlegenen Bausparer hatte BGH-Anwalt Peter Wassermann darauf verwiesen, dass es hier um langjährige Verträge gehe. Beim Abschluss wisse niemand, ob er das Darlehen in der Zukunft tatsächlich gebrauchen könne. Den Kassen hätte klar sein müssen, dass sich die Verhältnisse ändern können. «Dass jetzt eine Niedrigzinsphase eingetreten ist, darf nicht zulasten der Kunden gehen», sagte er.
Was tun nach dem Urteil?
Von der Kündigung betroffene Bausparer sollten jetzt aktiv werden, erklärt Hartmut Schwarz von der Verbraucherzentrale Bremen. Dafür gebe es zwei Möglichkeiten: «Entweder Sie nehmen die Kündigung an und lassen sich die Bausparsumme auszahlen.» In diesem Fall könnten Kunden frei über das Geld verfügen und es neu anlegen. «Oder Sie wechseln in einen anderen Tarif der Bausparkasse, wenn das Unternehmen Ihnen das angeboten hat.» Hier müssten Kunden die Konditionen des neuen Tarifs gut prüfen.
Wessen Vertrag zwar zuteilungsreif ist, aber seitdem noch nicht volle zehn Jahre weiter bespart wurde, sollte eine Kündigung nicht einfach hinnehmen, erklärt Schwarz. Denn der BGH spreche in seinem Urteil selbst von einer Zeitspanne von zehn Jahren nach Erreichen der Zuteilungsreife. «Hier kann es sich also lohnen, Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen.»
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(dpa)