Was für Eltern bei der Kinderausstattung zählt
Köln – Gerade noch ein Kinderwagen, einen Augenblick später schon ein Rucksack: Ein britischer Hersteller zeigt zum Start der «Kind+Jugend 2016», wie sich der Wagen fix zusammenzufalten und auf Vatis Rücken packen lässt.
Gleich mehrere Buggymodelle können unkompliziert auf Handgepäck-Größe zusammengelegt werden. Dass bei Familien Mobilität hoch im Kurs steht und die Branche darauf reagiert, zeigt ein Blick auf die Neuheiten der weltgrößten Messe für Kinderausstattung in Köln. Mit dabei seit Donnerstag ist auch ein Reisekoffer aus Norwegen, der zum Flugzeugbettchen fürs Babys wird.
Unter den gut 1200 Ausstellern aus 50 Ländern ist das «alte» Thema Sicherheit wieder topaktuell. In einer Schale aus Australien wird das Baby beim Baden oder Duschen mit einem Fünf-Punkt-Gurt angeschnallt. Eine Holzfaserkern-Matratze verhindert nach Herstellerangaben, dass sich Hausstaubmilben bilden. Und damit die Kleinsten Ruhe vor Mücken haben, bietet ein britischer Produzent einen Schlafsack mit «optimalem Schutz vor Insekten» an – mit einem Insektenschutzmittel im Gewebe.
«Standsicherheit, Kippsicherheit, Quetschsicherheit» zählt Trendexpertin Ursula Geismann vom Möbel-Industrieverband als wichtige Kriterien beim Möbelkauf für den Nachwuchs auf. Und: «Kinder werden in Deutschland besonders sicher gefahren», meint Willy Fischel, Geschäftsführer des Einzelhandelsverband BVS mit Blick auf 2,4 Millionen Kindersitze, die 2015 neu angeschafft wurden. Neuheit dabei: Ein Sitz, der sich im Baukastensystem mit nur einem Handgriff auf das wachsende Kind anpassen lässt – geeignet für Neugeborene bis zu Vierjährige.
Ein Aspekt, der auch den Umsatz beeinflusst: Männer und Frauen werden tendenziell immer später Eltern. «Je älter die Eltern sind, umso vorsichtiger werden Sie. Zudem verfügen sie in der Regel auch über andere finanzielle Möglichkeiten als jüngere Eltern, da oft bis zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile berufstätig sind», schildert Kommunikationsforscher und Markenexperte Franz-Rudolf Esch von der EBS Business School.
Auch für Komfort und Design sind viele offenbar bereit, tiefer in die Tasche zu greifen. Beispiel Kinderwagen: «Statussymbole», sagt der Gründer der Beratungsgesellschaft Esch. «Wer bestimmten Gruppen zugehörig sein möchte, benötigt entsprechende Marken und Modelle. Der Gruppenzwang ist hier sicherlich groß.» Esch glaubt zudem: «Was für den Mann das Auto ist, ist für die Mutter der Kinderwagen.»
«Für die Kleinsten ist das Beste gerade gut genug» – fasst Verbands-Geschäftsführer Fischel als Motto zusammen. Gefragt sind Themenzimmer – im Prinzessinnen-Ambiente über Seeräuber- oder Star-Wars-Look. Spielmöbel wie Sitzbausteine zum Umbauen oder auch Wand-Stecktafeln kommen derzeit bestens an. Sie sollen Motorik und Kreativität schon bei den Kleinsten fördern.
«Ob dies alles notwendig ist, darüber kann man sich trefflich streiten», meint Esch. «In dem Maße, in dem nach einer bestimmten Zeit beide Elternteile wieder ihrem Beruf nachgehen, meldet sich das schlechte Gewissen. Als Ausgleich dafür achtet man darauf, den Kindern das Beste zukommen zu lassen.»
Der Markt wächst jedenfalls. Die Branche freut sich über eine «Renaissance der Familie» und einen kleinen Babyboom – 2015 gab es mit 737 630 Babys zum vierten Mal in Folge einen Geburtenanstieg. Rund 2,4 Milliarden Euro – plus 5 Prozent – gaben Eltern für die Ausstattung ihrer Kinder in den ersten drei Lebensjahren aus. Pro Köpfchen waren das umgerechnet 1122 Euro. Die Möbelindustrie kam auf stabile Umsätze von 2,3 Milliarden Euro für Nachwuchsmöbel. Was in Köln für Staunen sorgt, aber nie Standard wird: Ein Edel-Strampler mit handgemachten Goldknöpfen und Diamanten für 10 000 Euro.
Fotocredits: Oliver Berg
(dpa/tmn)