Putins Seele
In den amerikanischen Vorwahlen macht man sich Gedanken über die Seele des Wladimir Putin.
Als der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten, George W. Bush, im Jahr 2001 zum ersten Mal den russischen Präsidenten traf, verkündete er anschließend, er habe einen Blick in Putins Seele werfen können. Bush pflegt eben gelegentlich eine blumige Sprache. Nachdem die Vorwahlen in Iowa nun deutlich zu Ungunsten der als Favoritin gehandelten Senatorin Hillary Clinton ausfielen, überraschte die Politikerin mit der Feststellung, Putin habe als Ex-KGB-Agent „per Definition keine Seele“. Zum Glück für Frau Clinton erinnerten sich die Leute im Publikum an Bushs Äußerung und lachten. Trotzdem: Man fragt sich, wie sie dem Noch-Präsidenten Russlands und Ministerpräsidenten in spe einst gegenübertreten möchte … Jedenfalls ist der Vorwurf der Seelenlosigkeit gewiss nicht leichtzunehmen, geschweige denn auf dem internationalen Parkett, wo es schon zu schwerwiegenden Unstimmigkeiten führen kann, wenn die deutsche Bundeskanzlerin sich vom Dalai Lama ein paar Schals umhängen lässt. Die Vermutung liegt nahe, dass Clinton sich aufgrund ihrer vermeintlichen Schwäche zu der boshaften Äußerung hinreißen ließ – wer weiß, ob man mit derart simplen Phrasen nicht noch den ein oder anderen Wähler fangen kann? Womöglich einen, dem das Gespenst des Kalten Krieges noch immer im Kopf herumspukt? Morgen stehen die Vorwahlen in New Hampshire an. Die Medien spekulieren bereits eifrig, ob sie zu einer Entscheidung über das Amt des demokratischen Präsidentschaftskandidaten führen könnten. Clinton hat, scheint’s, einen schwierigen Stand: Ihre jüngsten Attacken auf Kontrahent Obama verpufften mehr oder weniger wirkungslos; bloß ihr polemisches Putin-Zitat sorgte für ein paar Reaktionen – wenn auch nicht die besten. Aber noch kann das Blatt sich wenden, und – wer weiß? – vielleicht hat Frau Clinton mit Putins Seelenlosigkeit ja das wahlkampfbestimmende Thema schlechthin gefunden – frei nach ihrem Mann, der den Satz „It’s the econonmy, stupid!“ prägte: „It’s his soul, stupid!“.