Oberster Gerichtshof der USA erklärt Guantanamo für rechtswidrig
Die Abrechnung mit der aggressiven Außen- und Verteidigungspolitik von George W. Bush scheint bereits vor Ende seiner Amtszeit begonnen zu haben. Der oberste Gerichtshof der USA hat die in Guantanamo praktizierten Methoden der Gefangenhaltung de facto für illegal erklärt. Mitten im US-amerikanischen Wahlkampf spaltet das Urteil die gesamte Nation.
Mit einer knappen Entscheidung von fünf zu vier Stimmen entschied die oberste US-amerikanische Justizinstanz, dass in Guantanamo festgehalteten Häftlingen dieselben Rechte zustehen wie amerikanischen Gefangenen. Dies bedeutet, dass man ihnen die Chance auf ein ordentliches Gerichtsverfahren gewährleisten muss und sie nicht ohne Anklage zeitlich unbegrenzt eingesperrt werden dürfen. Genau das wird seit über sechs Jahren in Guantanamo gemacht.
Nicht zuletzt die Enthüllungen, dass nachweislich unschuldige Menschen jahrelang unter Menschen verachtenden Bedingungen festgehalten wurden, verliehen dem amerikanischen Krieg gegen den Terror einen äußerst negativen Beigeschmack. Zudem befand der oberste Gerichtshof, dass die für Anklage von potentiellen Terroristen eingesetzten Militärtribunale den Genfer Konventionen zur Behandlung von Kriegsgefangenen widersprechen.
Dieses Urteil stellt eine schwere politische Niederlage für Bush dar. Der scheidende US-Präsident erklärte, er werde das Urteil befolgen, auch wenn er es nicht gutheiße. Der konservative Richter Antonin Scalia, der gegen die Mehrheit gestimmt hatte, äußerte den Vorwurf, dass man sich dadurch zu sehr um das Wohlsein amerikanischer Feinde kümmern würde.
Barack Obama lobte die Entscheidung und gab zu bedenken, dass die USA auch im Kampf gegen den Terror ihre Werte nicht vergessen dürfen. John MacCain hingegen versuchte Verständnis gegenüber den Kritikern des Urteils zu zeigen. Für beide Präsidentschaftskandidaten stellt dieses brisante Thema einen Drahtseilakt dar. Während Obama seine liberalen Grundwerte verteidigen aber gleichzeitig nicht als zu sanft im Antiterrorkampf erscheinen möchte, muss McCain darauf achten, seine republikanische Parteibasis nicht zu verärgern ohne mit der unbeliebten Außenpolitik von Bush in Verbindung gebracht zu werden. Dies wird einen weiteren wichtigen Aspekt im ohnehin schon immens spannendem US-amerikanischem Wahlkampf darstellen.