100.000 Euro Buße für „Deutschland sucht den Superstar“
Warum ganz Deutschland der Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ etwas zu verdanken hat
Die Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten (KJM) hat gegen die Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ ein Bußgeld von 100.000 Euro wegen Verstößen gegen den Jugendschutz verhängt. Kinder unter zwölf Jahren könnten durch das Format in ihrer Entwicklung gestört werden, hieß es.
Wirklich überraschend kommt dieser Schritt nicht. Ein Bußgeld in dieser Höhe wird RTL zwar schmerzlich treffen – aber ein Grund, die Sendung einzustellen (oder wenigstens redaktionell zu überarbeiten) ist das leider noch nicht. Denn Negativ-Werbung ist auch Werbung; und die Einschaltquoten von „Deutschland sucht den Superstar“ werden wohl kaum einbrechen – eher im Gegenteil.
Keine andere Fernsehserie erfreut sich so umfassender medialer Aufmerksamkeit. Das trifft sowohl auf Medien zu, die „DSDS“ ernstnehmen und über den vermeintlichen Sangeswettbewerb berichten, als auch auf Medien, die das Format als solches kritisch reflektieren, etwa das „Fernsehlexikon“. Kurzum: Auf die eine oder andere Weise, „Deutschland sucht den Superstar“ ist derzeit omnipräsent. Die einen fiebern mit, die anderen regen sich darüber auf. Manche tun sogar beides.
Ambivalent erscheint überhaupt das Verhältnis der deutschen Öffentlichkeit zu der Casting-Show: Einerseits verzeichnet „DSDS“ konstant Einschaltquoten über 20 Prozent. Andererseits diskutieren diverse Institutionen seit Wochen (und teilweise über die Zeitungen), ob und in welcher Weise man die Sendung in die Schranken weisen kann.
Dem Fernsehpublikum wird so ein prächtiges Ventil geschaffen: Zunächst kann es all seinen Spott, seinen Hohn (aber auch seine Ängste und Hoffnungen) an den wackligen Kandidaten verbrauchen; ob’s zur Katharsis kommt nach 45 Minuten und mehreren Werbepausen, sei dahingestellt. Und anschließend kann man sich mit der KJM in den Chor der DSDS-Kritiker einfinden.
Jekyll und Hyde lassen freundlich grüßen.
Und dann gibt es noch den Typ, der „DSDS“ nicht schaut, aus welchen Gründen auch immer, aber darüber liest, und die Sendung verurteilt. Vor allen anderen müsste er RTL dankbar sein: Denn das vermeintlich jugendgefährendende Format gibt ihm die Möglichkeit, seine persönlichen Werte, seine Ethik, zu profilieren. Ich kann meine Moral aber nur definieren, wenn sie sich an etwas „reibt“. So kann „Deutschland sucht den Superstar“ zum Sparringpartner moralischer Schattenboxer werden.
Es ist schon viel darüber gesagt worden, in welcher Weise Sendungen wie „Deutschland sucht den Superstar“ Voyeurismus einerseits, Exhibitionismus andererseits ausschlachten. Oft genug wurde auf die Gefahren hingewiesen; und manchmal artete das Ganze etwas in eine Hexenjagd aus. Bußgelder in Höhe von 100.000 Euro mögen unser kollektives Gewissen für eine Weile beruhigen, sie ignorieren aber das eigentliche Problem: Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass es Prangershows dieser Art gibt, und, dass sie erfolgreich sind. Es wird schwerlich möglich sein, sie zu unterbinden. Die Nachfrage bestimmt nunmal das Angebot. Folglich kommt es in Zukunft darauf an, einen geeigneten Umgang mit diesen Formaten zu finden.
Es mag sarkastisch klingen: Aber rechtliche Schritte gegen eine Sendung, die de facto von einem großen Teil der Bürgern eines Staates gefordert wird, sind letztlich paradox.